Sonntag, 12. August 2012

Nachruf

Kira 18.10.2010-11.08.2012

„Bei der musst du aufpassen, die beisst immer erstmal zu!“

Das war das erste, was mir der Züchter über dich erzählt hat, als ich deine Schwester und dich abgeholt habe. Und wie recht der damit hatte! Du warst immer erstmal im Angriffsmodus und bist auf alles losgegangen, was sich bewegt hat. Wie haben meine Finger in den ersten Tagen ausgesehen! Völlig blutig gebissen! Schon wenn man nur das Wasser wechselte, hatte man dich irgendwo festgebissen hängen. Auch mit deiner Schwester hattest du immer wieder Stress und da ich keine Hoffnung gesehen habe, dass ihr euch doch noch vertragt, wollte ich eine von euch sogar wieder zurückgeben. Aber welche? Wonach sollte man sowas denn bitte entscheiden?

Irgendwann hattet ihr euch aber eingekriegt und mir damit diese schwierige Entscheidung abgenommen. Im Nachhinein bin ich darüber sehr froh! Denn nachdem ich euer Leben mit euch verbringen durfte, möchte ich keine Sekunde davon missen. Da ihr nun beide bleiben durftet, mussten wir trainieren. Mit deiner Schwester, damit sie ihre Schüchternheit ablegt, mit dir, damit du mich nicht ständig zerfleischt. Nach ein paar Tagen hatten wir das dann so weit im Griff, dass man dich mit der Hand füttern konnte und du sogar auf die Hand geklettert bist. Heftig gezwickt hast du zwar immer noch, aber wenigstens floss kein Blut mehr.

Das war auch völlig in Ordnung für mich, dass du halt kein Schmusehamster warst und mich immer auf Abstand gehalten hast. Geliebt habe ich dich trotzdem! Und was haben wir nicht alles durchgemacht? Erst du Trennung von deiner Schwester, die wenige Monate nach eurem Einzug dann doch irgendwann nötig wurde, deine langsam aufkommende Blindheit, die irgendwann so stark war, dass du scheinbar nur noch sich bewegende große Umrisse erkennen konntest und dann auch noch die Demodexmilben, mit denen wir uns rumschlagen mussten.

Alleine schon die Behandlung mit den Tropfen alle 10 Tage war für uns beide immer wieder eine Qual. Für mich vor allem deswegen, weil ich wusste, dass du das nicht gemocht hast. Du hast dich nach dem tropfen immer geschüttelt, gekratzt, dich auf den Boden geworfen, bist an der Wand des Auslaufs langerutscht und hast lauthals gequiekt, weil dir diese ölige Flüssigkeit auf deiner Haut immer so eklig war und du sie einfach nur loswerden wolltest. Vor wenigen Monaten kam dann das, womit ich nicht gerechnet hatte: du brauchtest die Tropfen nicht mehr!

Scheinbar hatte sich dein Imunsystem so weit erholt, dass du alleine gegen diese Mistviecher ankämpfen konntest. Vorbei der sofort auftretende Juckreiz, wenn wir mal einen Tag zu spät mit dem tropfen dran waren oder die Dosis nicht ausgereicht hat. Was war ich froh, dass du doch noch dein restliches Leben ständige Behandlung verbringen durftest. Aber wo Licht ist, ist auch Schatten und schon kamen die nächsten Probleme. Womit hat ein einziges Lebewesen sowas alles nur verdient?

Du hast vermutlich einen Schlaganfall erlitten, der dazu geführt hat, dass du deine Vorderpfoten nur noch sehr schwerlich kontrollieren konntest. Vorbei war es mit dem halben Tag im Auslauf. Deine Laufteller und Räder waren plötzlich ungenutzt. Es hat mir die erste Zeit immer die Tränen in die Augen getrieben, wenn ich gesehen habe, wie du langsam durch dein inzwischen behindertengerechtes Terrarium gehoppelt bist.

Die ersten Wochen bist du über jede Kleinigkeit gestolpert und einfach hingefallen. Wie ein kleines Käferchen lagst du auf dem Rücken und bist fast nicht mehr alleine hochgekommen. Da habe ich wirklich darüber nachgedacht dich erlösen zu lassen. Ich wusste einfach nicht, ob du dein Leben noch als lebenswert empfindest und ob du so glücklich bist. Zum Glück hast du sehr schnell gelernt, wie du dich bewegen musst, um sicher von A nach B zu kommen und hast deinen Alltag den neuen Umständen angepasst.

Wenn ich jetzt daran denke, dass ich dich vielleicht einige Monate zu früh hätte gehen lassen, kann ich es garnicht fassen! Schließlich hattest du danach noch fast 5 Monate und ich hoffe, dass ich dir diese so schön wie möglich gemacht habe. Auch wenn es sich komisch anhört, aber die haben uns irgendwie näher gebracht als die gesamte Zeit davor. Du warst halt die Omimi und durftest alles! Du warst bei der abendlichen Essenslieferung immer als erste dran, egal wie viele der Jungspunte schon an ihren Terrarienscheiben hingen.

Das erste war ich morgens gemacht habe, war dir einen Löffel Brei hinzulegen, auf den du immer schon gewartet hast. Pürierte Pute war die immer am liebsten. Und auch die Oma hat dich immer mit einem zusätzlichen Löffel Brei versorgt, wenn sie vor mir zuhause war. Du gehörtest halt für alle zur Familie, was den Abschied umso schwerer machte. Ich hatte ja jeden Tag damit gerechnet, dass es bald so weit sein würde, aber es kommt dann halt doch immer irgendwie überraschend und viel zu früh.

Und obwohl ich immer angenommen hatte, dass du zuerst gehst, hat sich deine Schwester 2 Monate vor dir auf die Reise gemacht. Freitag  Abend war es dann aber auch für dich so weit. Und obwohl du den Löffel Mittagsbrei noch verputzt hast, warst du nun einfach müde und wollest nicht mehr essen. „Nun ist es so weit!“ habe ich zu dir gesagt, dich aus deinem Nest genommen, dir ein Bettchen daraus gebaut und dich zum schlafen in deine Transportbox gelegt.

Die ganze Nacht hast du neben mir in meinem Bett gestanden, hast dir immer mal wieder eine andere Liegeposition gesucht, dein Köpfchen gehoben, um nach mir zu schnüffeln. Ich hab mir dir geredet, die Box immer mal wieder aufgemacht, um nach dir zu sehen und dich zu streicheln. Als du morgens noch nicht alleine eingeschlafen warst, sind wir zur Tierklinik gefahren, damit du deine letzte Reise antreten konntest.

Durch das Schlafmittel wurdest du von Minute zu Minute ruhiger. Keine Sekunde bin ich von deiner Seite gewichen. Ich habe dich vorsichtig am Köpfchen und den Öhrchen gestreichelt, mir dir erzählt und gewusst, dass du es bald wieder gut haben würdest. Keine Blindheit mehr, sondern grüne Wiesen sehen. Kein Gehoppel mehr, sondern über Felder rennen. Keine kahlen Stellen mehr, sondern glänzend schwarzer Pelz…

Deine Schwester hat dich sicher im Regenbogenland in Empfang genommen und zusammen mit Fussel & Flöckchen mischt ihr nun den ganzen Laden auf…

Ich liebe dich, mein kleines Schneckchen
und danke dir für jeden Tag, den ich mit dir verbringen durfte!